Neben der menschlichen Tragödie in Griechenland, die durch die Auflagen der Gläubiger verschärft werden dürfte, sagt das Vorgehen der Euro-Gruppe auch einiges über das demokratische Verständnis und Selbstverständnis in Europa aus. Dies hängt auch mit der zunehmenden Zahl von (völkerrechtlichen) Verträgen zusammen, die in den letzten Jahrzehnten geschlossen wurden, und zu denen letztlich auch TTIP zählt.
Genaugenommen wird mit einer zunehmenden Zahl von Verträgen die eigentliche Demokratie ausgehöhlt, wie in Griechenland zu beobachten ist. Die Botschaft der sogenannten »Euro-Rettung« lautet doch: »Egal, wen Ihr wählt, die Verträge stehen fest und Ihr habt Euch daran zu halten!« Es kommt also nicht mehr darauf an, was die jeweilige Partei, die am Ende auch an die Macht gelangt, im Wahlkampf versprochen hat, oder welche politischen Überzeugungen sie haben: Sie sind eingezwängt in ein Korsett immer mehr werdender Verträge zwischen den Staaten, in den politische Ziele und Maßnahmen, die nicht unerheblich von ideologischen Auffassungen geleitet sind, festgeschrieben werden.
Damit geht allerdings der Kern des Wahlaktes verloren, nämlich die Beauftragung einer Regierung mit der Durchführung einer in der Wahlkampfauseinandersetzung zwischen den Parteien dargestellten Politik. Das ist die Kehrseite der einseitigen neoliberalen Ideologisierung und die Folge der zunehmenden Zahl von Verträgen zwischen den Staaten innerhalb und mit Staaten außerhalb der Europäischen Union. Erschwerend kommt hinzu, daß diese Verträge überwiegend auf der Ebene der Regierungen ausgehandelt werden und die Parlamente nur noch wenig Einflußmöglichkeiten im abschließenden Ratifizierungsverfahren haben, wollen sie die eigene Regierung nicht international düpieren.
Mit solchen Verträgen werden jedoch künftige Regierungen und Parlamente auf bestimmte Ziele festgelegt. Das Ergebnis sieht man in Griechenland: Gegen den eigentlichen Willen der Regierung und gegen das Votum der Bevölkerung wird nun die von den Gläubigern – und insbesondere von der deutschen Regierung – geforderte Sparpolitik umgesetzt. Das System der Verträge hat sich gegen die Demokratie durchgesetzt. Eine Alternative, die von der hierzu demokratisch legitimierten Regierung Tsipras angestrebt wurde, stand innerhalb der Europäischen Union nicht zur Debatte.
Das ständige Gerede von der »Verläßlichkeit« bedeutet, so gedeutet, nichts anderes, als daß die souveräne Entscheidung der Bevölkerung hinter die in den Verträgen einmalig formulierten Interessen doch eigentlich für alle Zeiten zurückzutreten hat. Dies mag sich Angela Merkel unter einer »marktkonformen Demokratie« vorstellen, aber damit hat sich die Demokratie wirtschaftlichen Interessen untergeordnet, was eigentlich nicht ihr Sinn ist. Denn alle Bereiche der Gesellschaft, auch die Wirtschaft, haben sich den durch das Volk demokratisch direkt legitimierte Parlament unterzuordnen – und nicht umgekehrt.
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